Finanzielle Gewalt

Finanzielle Selbstbestimmung bietet Schutz gegen finanzielle Gewalt

Obwohl finanzieller Missbrauch in fast allen Fällen häuslicher Gewalt vorkommt, zeigte eine Studie aus den USA, dass 78% der Befragten finanziellen Missbrauch nicht als eine Form von häuslicher Gewalt erkennen.

 

Was ist finanzielle Gewalt und wo verlaufen die Grauzonen? Finanzielle Gewalt ist die missbräuchliche Beschränkung der finanziellen Autonomie und finanziellen Rechte von Frauen. Finanzielle Gewalt ist eine stille Form von Gewalt und ein gesellschaftliches Tabu.

»Mein Partner lässt mich nicht in die Karten schauen.«

»Mein Mann möchte nicht, dass ich mehr als einen Minijob ausübe.«
»Mein Mann hat mich mit Gewaltandrohung zur Bürgschaft genötigt«
»Mein Partner zahlt seinen Anteil auf das Gemeinschaftskonto oft monatelang nicht ein.«

»Mein Mann gibt die Steuererklärungen im Zuge des Scheidungsverfahrens nicht heraus.«

 

Dies sind alles Originalzitate aus unseren Veranstaltungen. Sie geben finanzielle Gewalt wider. Gewalt gegen Frauen ist nicht nur körperlich und seelisch, sondern auch ökonomisch definiert. Das zu erkennen ist wichtig, denn die Übergänge sind fließend.

 

Finanzielle Gewalt ist eine Form der häuslichen Gewalt

 

Für viele Frauen ist es noch immer selbstverständlich, nach der Familiengründung beruflich kürzer zu treten, sich zuhause um den Alltag und die Kinder zu kümmern und in Teilzeit weiter zu arbeiten. Sie übernehmen einen Großteil der unbezahlten Arbeit und vertrauen auf die Loyalität des Partners. Vielen fällt es schwer, ihre finanzielle Unabhängigkeit aufzugeben. Denn sie geben dabei auch einen wichtigen Teil ihrer Selbstbestimmung und Freiheit aus ihrer Hand.

 

Wie die Zitate zeigen, ist die Bandbreite der Formen der Gewalt vielfältig, angefangen von Demütigungen, über die Weigerung, Unterlagen herauszugeben, das Nicht-Einhalten von Absprachen, den Entzug von finanziellen Mitteln bis hin zur Nötigung zu Bürgschaften unter Androhung oder Ausübung von Gewalt. Ebenso groß ist die Unsicherheit, Dunkelziffer und das Dunkelfeld. Nach wie vor wird nicht gern offen über Geld gesprochen. 41 Prozent der Eheleute wisssen nicht, was der Partner/ die Partnerin verdient. Umso mehr ist finanzielle Gewalt mit Scham verknüpft und tabuisiert. Das Thema finanzielle Gewalt ist in Deutschland nicht wissenschaftlich untersucht.

 

In einer Stellungnahme anlässlich des internationalen Frauentags 2024 haben das iff Hamburg und Geldbiografien® Forschungsdesiderate benannt und gefordert, das Thema Finanzielle Gewalt empirisch ans Licht zu holen: »Es ist wichtig, das Themenfeld finanzielle Gewalt empirisch aufzubereiten und zu enttabuisieren, um für die weitreichenden Folgen zu sensibilisieren, Gefahren finanzieller Abhängigkeit zu thematisieren und um präventive Unterstützungsstrukturen schaffen zu können. Hierzu zählt auch die weitere Stärkung der finanziellen Bildung von Frauen.«

 

 

Der Machtmissbrauch bahnt sich oft als schleichender Prozess an. Aus finanzieller Abhängigkeit wird finanzielle Gewalt, wenn Macht und Kontrolle ausgeübt und missbraucht werden. Die Autonomie der Partnerin wird dadurch mehr und mehr unterwandert. Beispiele für finanzielle Gewalt sind das Verhindern von finanzieller Unabhängigkeit, die ungerechte Verteilung von finanziellen Überschüssen, das Nichteinhalten von Absprachen, zum Beispiel, wenn der Partner seinen Anteil aufs Konto nicht einzahlt, die Ausbeutung von Arbeitskraft, das Abfangen wichtiger Briefe oder auch, wenn der Einblick in Unterlagen verwehrt wird. Auch die missbräuchliche Verletzung der Unterhaltspflicht zählt dazu. Ein Artikel von ZDF Heute gibt einen Einblick in die Ausübung von Macht durch Geld. 

 

Die Gleichstellungsstelle Oberhausen hat in Kooperation mit dem Frauenhaus Oberhausen und weiteren Kooperationspartnerinnen wie dem Kommunalen Integrationszentrum (KI) und der Frauenberatungsstelle eine informative Broschüre zum Thema Finanzielle Gewalt herausgegeben. Sie schreiben:

»Gewalt ist nicht nur körperliche oder seelische Übergriffigkeit, sondern auch die Ausübung von Macht und Kontrolle im finanziellen Bereich.«

Zitat und Foto: Gleichstellungsstelle Stadt Oberhausen,
KI, Frauenhaus Oberhausen, Frauenberatungsstelle

 

Unterstützung und Anlaufstellen

 

Finanzielle Gewalt erkennen: Download der Broschüre »Freiheit beginnt wo Kontrolle endet«

 

Hilfe und Beratung finden Frauen beim Hilfetelefon »Gewalt gegen Frauen«, in Frauenberatungsstellen und im Frauenhaus. Eine sehr gute Informationsquelle ist die Seite Bayern gegen Gewalt des bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales.

 

Speziell zum Thema »Finanzielle Gewalt« sowie »Finanzielle Gewalt erkennen« haben u.a. das Frauenhaus Nürnberg, die Fraueninitiative »Frauen helfen Frauen e.V.« Oberhausen und die Autorin Lea Martin Informationsseiten online gestellt. Die Familienrechtsanwältin Asha Hedayati vertritt schwerpunktmäßig gewaltbetroffene Frauen in Trennungs-, Scheidungs- und Gewaltschutzverfahren und hat ein empfehlenswertes Buch zur häuslichen und struktuellen Gewalt mit dem Titel Die stille Gewalt geschrieben:

 

 

Alltagssexismus, überholte Rollenbilder und häusliche Gewalt sind miteinander verknüft. Eine Studie von Plan International zu den Männlichkeitsbildern junger Männer von 18 bis 35 Jahren hat gezeigt, dass es für jeden dritten Mann akzeptabel ist, wenn ihm bei einem Streit mit der Partnerin gelegentlich die Hand ausrutscht. Patriarchalisch geprägte Gewalt und Machtmissbrauch sind weiter verbreitet, als gedacht. Das Aschaffenburger Frauenhearing hat zu diesen Themen eine Plakataktion gestaltet, die Lehrkräfte und Multiplikatorinnen in der Bildungs- und Beratungspraxis einsetzen können.

 

 

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