Doch Achtung, die Entscheidung für ein Kind ist noch immer mit Hürden verbunden. Sie kann Mütter bis zu zwei Drittel ihres Lebenserwerbseinkommens kosten. Das ist meist genau das Geld, das ihnen für ihre finanzielle Eigenständigkeit oder zum Aufbau einer Vermögensbiografie fehlt. Deshalb steht dieser Artikel unter der Rubrik Vermögensbildung.
Es ist auch das Geld, das in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung fehlt, weil die unbezahlte Carearbeit aus dem Bruttoinlandsprodukt ausgeklammert bleibt. Wenn Frauen in Deutschland Fürsorgearbeit übernehmen, entstehen ihnen hohe Opportunitätskosten – also kein direkter finanzieller Aufwand, sondern vielmehr der entgangene Gewinn und das Einkommen, das sie durch ihre familiären Verpflichtungen nicht erzielen können.
Die Bertelsmann Stiftung hat im Sommer 2020 Zahlen zu den Kosten von Mutterschaft herausgegeben. Die Studie Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Was es sie kostet, Mutter zu sein zeigt einmal mehr und auf erschreckende Weise, was es für Frauen in Deutschland bedeutet, ein Kind zu bekommen.
So sinkt das Lebenserwerbseinkommen von Frauen mit einem Kind um 43 Prozent, mit zwei Kindern um 54 Prozent und ab dem dritten Kind um minus 68 Prozent (Westdeutschland). In Ostdeutschland sind die Einbußen mit minus 37, 48 und 63 Prozent (erstes, zweites und ab dem dritten Kind) etwas geringer, weil dort die Vereinbarkeit von Familie und Beruf selbstverständlicher gelebt wird. Die frühzeitige Sensibilisierung für die Zusammenhänge von Geld und Leben ist immens wichtig, damit jede einzelne Frau die ökonomischen Folgen privater Lebensentscheidungen kennt und ganz bewusst entgegensteuern kann. Vor allem, damit Frauen – wie viele meiner Seminarteilnehmerinnen – nicht hinterher sagen müssen:
Seit vielen Jahren liegen Zahlen zum Geld der Frauen auf dem Tisch – doch die Gesellschaft bewegt sich nur sehr langsam und die strukturellen Rahmenbedingungen sind beharrlich. Vor allem hinken wir beim Thema faire Rollenverteilung vielen Ländern hinterher, allen voran den skandinavischen Ländern. Die verschiedenen Gender Gaps haben ihre Wurzeln in der veralteten Sozialversicherungs- und Steuergesetzgebung, die die Lohnlücke und ungleiche Verteilung von Carearbeit aufrechterhalten. Die Motherhood Lifetime Penalty resultiert u.a. aus schlechten Löhnen, Vereinbarkeitsproblematiken und Teilzeitfallen – und sie mündet in geringe Rentenansprüche.
Während der Zeit des Lockdowns fielen die alten Strukturen vielen Frauen schmerzlich vor die Füße. Sie waren von heute auf morgen mit schließenden Betreuungseinrichtungen und der Tatsache konfrontiert, dass die Belange von Eltern und Familien zunächst unter dem Radar der politisch Verantwortlichen liefen. Dass sie und ihre Kinder in den Pandemiekonzepten einfach vergessen wurden.
»Die Corona-Krise zeigt wie unter einem Brennglas all die systemischen Zusammenhänge, die mit Sorgearbeit verbunden sind.«
Doch wer darauf gebaut hatte, dass wir auf einen echten Wandel zusteuern, wurde enttäuscht. Denn auch das Konjunkturpaket war kein großer Wurf für die Belange von Familien. Die Mitinitiatorin der Equal Care Day Bewegung, Almut Schnerring, kritisierte den Subtext des 300 Euro Familienbonbons in einem lesenswerten Beitrag auf dem Corona & Care-Blog der Friedrich-Ebert-Stiftung: "Liebe Familien, kauft euch was Schönes, und dann lasst uns in Ruhe unsere richtige Arbeit machen, Care gehört nicht dazu".
Es ist höchste Zeit für eine neue Ökonomie, die nicht einfach alle Zukunftskosten externalisiert. So fordert die Initiative Equal Care Day im Equal Care Manifest, die unbezahlte Sorgearbeit in die volkswirtschaftliche Berechnung aufzunehmen. Auch brauchen wir eine politische und sozioökonomische Bildung, die die langfristigen Auswirkungen unseres Handelns offenlegt und Frauen für weitreichende ökonomische Folgen ihrer privaten Lebensentscheidungen sensibilisiert. Denn nicht wenigen Frauen, vor allem Müttern, wird zu spät klar, dass die gesellschaftlichen Strukturen ihre wirtschaftliche Eigenständigkeit unterminieren.
In diesem Zusammenhang wird auch die Frage der Berufswahl wichtig. Noch immer zieht es Frauen in sogenannte typische Frauenberufe. Sie sind häufig im Dienstleistungs- und Pflegesektor beschäftigt, der notorisch schlecht bezahlt ist, wie die Grafik verdeutlicht. Das heißt aber natürlich nicht, diese sinnstiftenden Berufe zu vermeiden, sondern für bessere Rahmenbedingungen und Gehälter zu streiten.
Auch erzielen Frauen seit vielen Jahren Bildungsgewinne und ihre Anstrengungen schlagen sich endlich in Karrieren nieder. Doch nach etlichen Jahren Zusammenarbeit mit Wiedereinsteigerinnen mein gutgemeinter Rat: Gebt eure hart erkämpften Erfolge nicht preis und lasst euch nach Familienzeiten nicht an den Rand des Spielfelds drängen, sondern behaltet euren beruflichen Weg im Auge! Und scheut euch nicht, eine faire Rollenverteilung in euren Partnerschaften einzufordern.
Diskriminierende Strukturen können nicht von Einzelnen allein verändert werden. Auch wenn die Gestaltung familienfreundlicher Berufs- und Karrierewege eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, könnt ihr dennoch selbst aktiv werden, um eure wirtschaftliche Unabhängigkeit zu stärken:
Gestaltet eure finanzielle Zukunft selbstbestimmt! Bewahrt den Überblick über eure berufliche und finanzielle Entwicklung – das ist der Schlüssel zu echter wirtschaftlicher Freiheit. Und seid die Architekten eurer eigenen finanziellen Sicherheit!
Wenn ihr Lust habt, euch selbst zu engagieren, um Strukturen zu verändern, schaut doch mal bei Equal Care Day, UN Women Deutschland oder der Mütterinitiative für starke Mütter und Alleinerziehende Mias vorbei! Wir brauchen jede Stimme, die sich für eine geschlechtergerechte und fürsorgliche Gesellschaft einsetzt!
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Wir unterstützen Frauen dabei, ihre Finanzen zu einer biografischen Ressource werden zu lassen!