Auf Kosten der Mütter

Mom goes Money – Warum ich das Buch geschrieben habe.

Obwohl ich immer denke, es ist ja längst alles gesagt, war es mir wichtig, die Wechselwirkungen der Gender Gaps und die Opportunitätskosten von Mutterschaft offenzulegen. Um Frauen vor Fehlanreizen zu schützen und sie zu wappnen, ihre finanzielle Selbstbestimmung aufrechtzuerhalten. Gerade auch, wenn sie Mütter werden oder Angehörige pflegen. »Das Buch funktioniert wie eine gute Freundin«, hat die Studienleiterin der Evangelischen Akademie im Rheinland, Dr. Kathrin S. Kürzinger bei einer Buchbesprechung gesagt, was mich sehr gefreut hat. Es ist ein Wegweiser zu finanzieller Stärke und Sicherheit und ein Ratgeber, damit Frauen keinen Bogen um das Thema Geld und Finanzen machen.  

 

Denn die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu kennen, ist das eine. Ich denke, niemand wird bestreiten, dass eine gut ausgebaute und verlässliche Infrastruktur für Kinderbetreuung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unerlässlich ist. Aber auch das Steuer- und Sozialversicherungsrecht birgt in hohem Maße strukturelle Fehlanreize und wirkt sich negativ auf die Rollenverteilung in Familien und die Erwerbsarbeitsbeteiligung von Frauen aus. Diese Zusammenhänge sollten Frauen überblicken und in ihrer Partnerschaft besprechen. Dennoch sind ihnen die Fallen und Einbahnstraßen nicht immer bewusst. Seien es überholte Rollenbilder, Müttermythen, die Tücken der Steuerklassenwahl, die Diskriminierung von Fürsorgeleistenden auf dem Arbeitsmarkt. 

 

Zum anderen sind wir natürlich auch Akteurinnen auf der »Handlungsebene«, haben es also bis zu einem gewissen Grad selbst in der Hand, wohin unser Leben steuert und wo wir in zehn Jahren stehen. Wir versuchen, unser Familien- und Berufsleben so miteinander in Einklang zu bringen, dass es unseren Vorstellungen des guten Lebens entspricht. Dazu ist eine solide finanzielle Vorsorge und ein strukturierter Vermögensaufbau, auch mit kleinen Beträgen, unerlässlich. Deswegen kommt auch die Geldbiografie im Buch nicht zu kurz sowie eine Anleitung zum Einstieg in das Thema Geldanlage

 

 

Die Fakten zur Verteilung der Care-Arbeit sind nicht gerade ermutigend. Zwar übernehmen Männer in Deutschland vermehrt Sorgearbeit. Dennoch bleiben es die Frauen, die die Krisen der Care-Arbeit stemmen. Frauen, die sich im Gesundheitswesen zerreiben und ihre eigene Gesundheit gefährden. Frauen, die prekär beschäftigt sind, um ihre Existenz ringen und in Zeiten von hoher Inflation erst recht nicht auf den »grünen Zweig« kommen. Frauen, die häuslicher und finanzieller Gewalt ausgesetzt sind. Der Geburtenrückgang setzt sich weiter fort und die neue Geburtenstatistik lässt tief blicken, die Geburtenziffer liegt bei 1,46 Kinder je Frau (Statistisches Bundesamt).

 

Auf Twitter und Instagram haben wir uns über die sinkende Geburtenrate ausgetauscht.

 

 

@gleichstellungsrecht hat noch den Renten-Gap, Mental Load und die gläserne Decke hinzugefügt und Eltern haben von Diskriminierung nach der Elternzeit berichtet. Dazu kommen: child penalty, Vermögenslücke, Arbeitsmarkt Gap, Lebenserwerbseinkommenslücke, funding gap, financial service gender gap, inheritance gap, Müttermythos, Thomas-Kreislauf. ️ Weiterhin wurden ergänzt: Fehlende Wertschätzung und Entlohnung der Familien- und Pflegearbeit, Unterhaltsprellerei, strukturelle Gewalt an Familiengerichten, Krise des Kitasystems. Wer genau hinschaut, sieht, was in der Gesellschaft alles schief läuft. Vor allem Familien sind die Leidtragenden. Nathalie Klüver hat ein sehr gutes Buch dazu geschrieben: Deutschland, ein kinderfeindliches Land? Erschienen im Kösel-Verlag.

 

Seit der Corona-Pandemie wissen wir unmissverständlich: Die Politik ordnet die Belange von Familien der Wirtschaft unter. Frauen waren weltweit am härtesten getroffen. Die Pandemie verfestigte strukturelle Diskriminierung. UN Generalsekretär António Guterres zog 2021 die bittere Bilanz: »Die Corona-Krise trägt das Gesicht einer Frau.« Noch im Januar 2022 hatte laut Berechnungen des WSI für die Hans-Böckler-Stiftung jede fünfte Frau ihre Beschäftigung reduziert. Die aktuelle Krise der Kitabetreuung ist alarmierend und gefährdet die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erneut.

»Die Krisen in der Kinderbetreuung und im Pflegesektor wirken unmittelbar in die Familien zurück und führen zu einer großen Belastungssituation.«

 

In unserem Podcast zum Equal Care Day mit der Oberstudienrätin und Kreisrätin Maili Wagner und Franziska Böhler, aka thefabulousfranzi haben wir über die Krise der bezahlten und unbezahlten Care-Arbeit gesprochen. Keine leichte Kost, dazu sind die Probleme zu schwerwiegend. Ihre Wurzeln liegen in der unzureichenden Anerkennung des Werts von Sorgearbeit.

 

Deswegen bleibt die Frage, »was ist uns welche Arbeit wert« hochaktuell. Wir sollten sie immer wieder in den öffentlichen Diskurs geben. »Dass betriebswirtschaftliche Prinzipien nicht unmittelbar auf Versorgungsbeziehungen angewendet werden können, zeigt sich im Gesundheitswesen sehr deutlich. Die Kosten der privaten Care-Arbeit wiederum werden zulasten der ökonomischen Situation von Frauen und Kindern externalisiert. Diese Kosten müssen wir beziffern, die erwerbsarbeitszentrierte Familienpolitik hinterfragen, eine Care-Abgabe der Unternehmen diskutieren und strukturelle Ausbeutung von Müttern und Familien als solche benennen. Fürsorge, sich kümmern, Sorgen, Care – die unbezahlte Arbeit als Grundlage menschlichen Miteinanders und allen Wirtschaftens verdient Wertschätzung und finanzielle Anerkennung.« (Happel 2023, S. 210). Deswegen habe ich Auf Kosten der Mütter geschrieben. 

 

Wir haben das Recht auf eine Carebiografie. Wir wollen aber nicht um unsere wirtschaftliche Existenz bangen müssen. Es ist wichtig, das Thema Geld in unserer Partnerschaft frühzeitig auf den Tisch zu bringen, auf eine gerechte Rollenverteilung zu achten, unsere Geld- und Erwerbsbiografien im Blick zu behalten und auch mit kleinen Beträgen investieren zu lernen. Dazu brauchen wir keine rosa Finanzen, sondern ein positives Geldbewusstsein und eine solide finanzielle Bildung. Auch darüber schreibe ich in meinem Buchdamit du weißt, wie gesunde Finanzen strukturiert sind und was du heute tun kannst, um finanziell selbstbestimmt zu leben. Die Börse ist kein Buch mit sieben Siegeln und es gibt kein Geheimwissen rund um die Geldanlage. Fünf häufige Fallen in Bezug auf die finanzielle Eigenverantwortung habe ich in einem Blogartikel bei Stadt-Land-Mama beschrieben. Und konkrete Tipps zur Vermögensplanung findest du natürlich auch auf meinem Blog.

 

Der moderne Feminismus birgt eine Gefahr: Passend zur Stimme des neoliberalen Kapitalismus, die uns unaufhaltsam zur Selbstoptimierung antreibt, hören wir immer wieder »Nimm deine wirtschaftliche Unabhängigkeit in die Hand«, »Du kannst alles schaffen, was du willst«. Doch so einfach ist es nicht, vor allem, wenn Lebenswege nicht geradlinig verlaufen. Schon gar nicht, wenn verschiedene diskriminierende Faktoren zusammenspielen, in der Sozialwissenschaft »Intersektionalität« genannt. Zum Beispiel, wenn eine Mutter eine Behinderung hat, die »falsche« soziale Herkunft trägt oder eine nichtbinäre Geschlechtsidentität. Sobald Lebens- und Familienformen von »Standardbiografien« abweichen, etwa wenn ein chronisch krankes Kind zu betreuen ist, gibt es keine Blaupause und keine passgenauen Unterstützungsangebote für Familien.

 

UN Women setzt sich bei den Vereinten Nationen für die Förderung von Frauen und Geschlechtergleichheit ein. Die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen ist eines der Kernthemen für gesellschaftliche Entwicklungen, auch in Bezug auf Nachhaltigkeit. Das Leid und die finanzielle Exklusion haben in jedem Land ein anderes Gesicht und ein anderes Ausmaß. Vor einigen Jahren war ich beim Goethe Institut zum Workshop »Kulturen der Gleichberechtigung: Frauen & Geld« eingeladen. Die Multiplikatorinnen arbeiten unter anderem mit Frauen aus Indien, dem arabischen Raum, Russland, den USA und Tschechien zusammen. Dabei stehen wir vor einer hohen Heterogenität der Lebenslagen. Und doch: »We are all facing the same problems.«

 

Die unbezahlte Sorgearbeit hat einen umgerechneten Wert von 11.000.000.000.000 (Billionen) US-Dollar pro Jahr, so eine vielzitierte Oxfam Studie zu sozialer Ungleichheit. Viel Geld, das uns für die Sicherung unserer Existenz und vor allem auf unserem Rentenkonto fehlt.

 

Mom goes Money – nehmt eure Geldbiografie in die Hand! 

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