Auf Kosten der Mütter
»Die Corona-Krise trägt das Gesicht einer Frau.« UN Generalsekretär António Guterres, 2021
»Die Corona-Krise trägt das Gesicht einer Frau.« UN Generalsekretär António Guterres, 2021
Die Pandemie traf Frauen weltweit äm härtesten und verfestigte strukturelle Diskriminierung. Dabei sind die Fakten zur Verteilung der Care-Arbeit entmutigend. Auch wenn Männer in Deutschland vermehrt Sorgearbeit übernehmen, bleiben es die Frauen, die die Krise der Care-Arbeit stemmen. Frauen, die sich im Gesundheitswesen zerreiben und ihre eigene Gesundheit ruinieren. Frauen, die zuvor schon prekär beschäftigt waren und während der Schließungen um ihre Existenz ringen mussten. Frauen, die täglich an der Kasse saßen und der Virenlast ausgeliefert waren. Und Frauen, die häuslicher und finanzieller Gewalt ausgesetzt sind.
Noch im Januar 2022 hatte laut Berechnungen des WSI für die Hans-Böckler-Stiftung jede fünfte Frau ihre Beschäftigung reduziert. Die aktuelle Krise der Kitabetreuung lässt nicht gerade Hoffnung schöpfen, dass die Vereinbarkeit in Deutschland auf einem guten Weg ist.
In unserem Podcast zum Equal Care
Day mit der Oberstudienrätin und Kreisrätin Maili Wagner und Franziska Böhler, aka thefabulousfranzi haben wir über die Krise der bezahlten und unbezahlten
Care-Arbeit gesprochen. Keine leichte Kost, dazu sind die Probleme zu schwerwiegend. Ihre Wurzeln liegen in der unzureichenden Anerkennung des Werts von Sorgearbeit.
Der moderne Feminismus birgt eine Gefahr: Passend zur Stimme des neoliberalen Kapitalismus, die uns unaufhaltsam zur Selbstoptimierung antreibt, hören wir immer wieder »Nimm deine wirtschaftliche Unabhängigkeit in die Hand«, »Du kannst alles schaffen, was du willst«. Doch so einfach ist es nicht, vor allem, wenn Lebenswege nicht geradlinig verlaufen. Schon gar nicht, wenn verschiedene diskriminierende Faktoren zusammenspielen, in der Sozialwissenschaft »Intersektionalität« genannt. Zum Beispiel, wenn eine Mutter eine Behinderung hat, die »falsche« soziale Herkunft trägt oder eine nichtbinäre Geschlechtsidentität. Sobald Lebens- und Familienformen von »Standardbiografien« abweichen, etwa wenn ein chronisch krankes Kind zu betreuen ist, gibt es keine Blaupause und keine passgenauen Unterstützungsangebote für Familien.
Die Krisen in der Kinderbetreuung und im Pflegesektor wirken unmittelbar in die Familien zurück und führen zu einer großen Belastungssituation. Die Frage, »was ist uns welche Arbeit wert«, sollten wir immer wieder in den öffentlichen Diskurs geben. »Dass betriebswirtschaftliche Prinzipien nicht unmittelbar auf Versorgungsbeziehungen angewendet werden können, zeigt sich im Gesundheitswesen sehr deutlich. Die Kosten der privaten Care-Arbeit wiederum werden zulasten der ökonomischen Situation von Frauen und Kindern externalisiert. Diese Kosten müssen wir beziffern, die erwerbsarbeitszentrierte Familienpolitik hinterfragen, eine Care-Abgabe der Unternehmen diskutieren und strukturelle Ausbeutung von Müttern und Familien als solche benennen. Fürsorge, sich kümmern, Sorgen, Care – die unbezahlte Arbeit als Grundlage menschlichen Miteinanders und allen Wirtschaftens verdient Wertschätzung und finanzielle Anerkennung.« (Happel 2023, S. 210).
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind das eine. Ich denke, niemand wird bestreiten, dass eine gut ausgebaute und verlässliche Infrastruktur für Kinderbetreuung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unerlässlich ist. Aber auch das Steuer- und Sozialversicherungsrecht bergen in hohem Maße strukturelle Fehlanreize und wirken sich negativ auf die Rollenverteilung in Familien und die Erwerbsarbeitsbeteiligung von Frauen aus. Natürlich sind wir auch Akteurinnen auf der »Handlungsebene« und versuchen, unser Familien- und Berufsleben so miteinander in Einklang zu bringen, dass es unseren Vorstellungen des guten Lebens entspricht. Dennoch sind die Fallen und Einbahnstraßen vielen Frauen nicht bewusst. Seien es überholte Rollenbilder, die Steuerklassenwahl, die Diskriminierung von Fürsorgeleistenden auf dem Arbeitsmarkt.
Deswegen habe ich Auf Kosten der Mütter geschrieben. Um die Wechselwirkungen der Gender Gaps und die Opportunitätskosten von Mutterschaft offenzulegen. Um Frauen vor Fehlanreizen zu schützen und sie zu wappnen, ihre finanzielle Selbstbestimmung auch mit der Übernahme von Fürsorgeverantwortung so gut es geht aufrechtzuerhalten. Denn wir haben das Recht auf eine Carebiografie. Wir wollen aber nicht um unsere wirtschaftliche Existenz bangen müssen. Es ist wichtig, das Thema Geld in unserer Partnerschaft frühzeitig auf den Tisch zu bringen, auf eine gerechte Rollenverteilung zu achten, unsere Geld- und Erwerbsbiografien im Blick zu behalten und auch mit kleinen Beträgen investieren zu lernen. Dazu brauchen wir keine rosa Finanzen, sondern ein positives Geldbewusstsein und eine solide finanzielle Bildung. Auch darüber schreibe ich in meinem Buch – damit du weißt, wie gesunde Finanzen strukturiert sind und was du heute tun kannst, um finanziell selbstbestimmt zu leben. Die Börse ist kein Buch mit sieben Siegeln und es gibt kein Geheimwissen rund um die Geldanlage. Fünf häufige Fallen in Bezug auf die finanzielle Eigenverantwortung habe ich in einem Blogartikel bei Stadt-Land-Mama beschrieben. Und konkrete Tipps zur Vermögensplanung findest du natürlich auch auf meinem Blog.
UN Women setzt sich bei den Vereinten Nationen für die Förderung von Frauen und Geschlechtergleichheit ein. Die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen ist eines der Kernthemen für gesellschaftliche Entwicklungen, auch in Bezug auf Nachhaltigkeit. Das Leid und die finanzielle Exklusion haben in jedem Land ein anderes Gesicht und ein anderes Ausmaß. Vor einigen Jahren war ich beim Goethe Institut zum Workshop »Kulturen der Gleichberechtigung: Frauen & Geld« eingeladen. Die Multiplikatorinnen arbeiten unter anderem mit Frauen aus Indien, dem arabischen Raum, Russland, den USA und Tschechien zusammen. Dabei stehen wir vor einer hohen Heterogenität der Lebenslagen. Und doch: »We are all facing the same problems.«
Die unbezahlte Sorgearbeit hat einen umgerechneten Wert von 11.000.000.000.000 (Billionen) US-Dollar pro Jahr, so eine vielzitierte Oxfam Studie zu sozialer Ungleichheit. Viel Geld, das uns für
die Sicherung unserer Existenz und vor allem auf unserem Rentenkonto fehlt.