Was sagt eigentlich ihr Mann dazu?

Als ich mit fast vierzig promovieren wollte, wurde mir just diese Frage gestellt. Über gleichberechtigte Familienformen und (finanzielle) Selbstbestimmung

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100 Jahre Frauenwahlrecht und Selbstbestimmung heute

Am 12. November 2018 feierten wir einen Meilenstein der Frauenbewegung: 1918 wurde in Deutschland das von Frauen erstrittene allgemeine Wahlrecht für alle Männer und Frauen eingeführt. Die politische Partizipation und weitere frauenpolitische Errungenschaften, etwa die später von der Juristin Elisabeth Selbert erkämpfte Aufnahme der Gleichberechtigung ins Grundgesetz oder die Einführung von Frauenquoten führen zur Frage nach Wahlfreiheit und Selbstbestimmung von Frauen heute, rund 100 Jahre später.

 

Dieser Frage gehe ich in meiner beruflichen Arbeit nach. Wir befinden uns auf dem Weg in eine partnerschaftliche Zukunft: Aufgaben für Erziehung, Haushalt und Pflege werden immer öfter zwischen den Partner:innen geteilt. Frauen haben heute gute Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes und finanziell unabhängiges Leben.

 

Doch wie sieht die Realität der Lebenswelten aus?

 

Als ich nach Eltern- und Pflegezeit mit fast vierzig promovieren wollte, war dies kein Entschluss, der über Nacht fiel, sondern ein längerer Prozess. Der Wunsch reifte in mir und seine Triebfeder war die Angst, später zu bereuen, es nicht gewagt zu haben. Meine Neugierde entstammt einer inneren Stimme, die fragt: Ist so das Leben? Oder gibt es noch mehr? Zu diesem Zeitpunkt hatte ich zwei Kleinkinder und konnte meine Überlegungen nicht für mich allein anstellen. Meine Mutter war inzwischen verstorben und die Pflegeverantwortung hatte Spuren hinterlassen. War jetzt nicht die Zeit, mich wieder mehr auf meine eigene Familie zu konzentrieren?

 

Was sagte also mein Mann dazu?

 

Die Entscheidung fiel mir nicht leicht, das Hadern und die Ambivalenzen kennt ihr bestimmt. Unterstützung erhielt ich bei Freundinnen und Frauenförderstellen wie dem Verein zur beruflichen Förderung von Frauen in Frankfurt, bei dem ich selbst als freie Referentin tätig war. In der Tat habe ich schließlich an der Uni erst alles in trockene Tücher gepackt, bevor ich mich offiziell als Doktorandin zeigte. Als ich dann donnerstags regelmäßig ins Kolloquium nach Frankfurt fuhr, sagte mein Mann anfangs noch, Ach, heute gehst Du wieder deinem Hobby nach... Im Lauf der Zeit, als ich parallel meine Plattform Geldbiografien aufbaute und mit Vorträgen und Seminaren zur Finanzbildung unterwegs war, ging mehr und mehr häusliche Verantwortung auf ihn über.

 

Es war nicht so, dass er sich zuvor nicht eingebracht hätte. Aber als die Kinder sehr klein waren, war er beruflich viel unterwegs. Weltweit an schönen Orten – Gift für mein Fernweh... Das führte zu Spannungen und Konflikten und unsere Aushandlungsprozesse keimten immer wieder auf: mal gab es mehr, mal weniger zu diskutieren und zu verhandeln. Selten waren wir völlig zufrieden mit unserer Rollenverteilung. Sie hatte sich zunächst mehrfach klassisch eingependelt, da meine kranke Mutter immer mehr Unterstützung benötigte. Ich war in dieser Situation gefangen und es schien mir, als sei meine berufliche Zukunft verbaut. Ich hatte eine Nischenposition mit eigener Reisetätigkeit und saß zu Hause fest. Aus Verzagtheit wurde schließlich Mut, auf meinen Bildungsweg zurückzukehren.

 

Nachdem meine Mutter verstorben war, erkrankte die Schwiegermutter und wir mussten alle Zeiten, in denen ich unterwegs war, akribisch planen. Die mental Workload wurde mir erst viel später bewusst, dieses: nicht frei entscheiden zu können, ob ich auf diese Konferenz oder jenen Vortrag fahre und all die kleinen und großen Aufgaben, die damit verbunden waren. Mein Mann konnte seine Termine ohne große Absprache wahrnehmen, ich hingegen hatte im Vorfeld immer organisatorischen Aufwand. Er war daher anfangs skeptisch, wie ich neben Familie und Beruf noch eine Dissertation unterbringen wollte – und natürlich schwang unterschwellig die Sorge mit, etwas von seinen Privilegien abgeben zu müssen. Noch dazu denkt er als Banker in Zahlen und der Return on Investment war nicht intuitiv einsichtig. Er wusste aber, dass es als Bumerang in unsere Familie zurückkehren würde, wenn ich meine Schritte nicht gehen kann.

 

HeForShe

 

In der Rückschau bin ich selbst erstaunt, dass es funktionierte. Natürlich waren persönliche Opfer zu bringen, zum Beispiel hatte ich quasi nie richtig Feierabend oder konnte es mir lange zeitlich kaum erlauben, mich spontan mit Freundinnen zu treffen. Mit den Jahren wuchs auch mein Mann in seine neue Aufgabe hinein und wurde zu einem großartigen Unterstützer für mich. Dies ganz praktisch im Alltag, aber auch mental – und selbstverständlich hat er einen HeForShe-Pin erhalten! Wenn ihr die HeForShe-Kampagne von UN Women noch nicht kennt, schaut euch diese weltweite Solidaritätsbewegung unbedingt an! Die Gesellschaft braucht Frauen und Männer, die auf Augenhöhe zusammenarbeiten und sich für gleichberechtigtere Familienformen einsetzen.

 

Biografie und Selbstverwirklichung

 

Das Thema Care, Sorgearbeit, bildet einen gemeinsamen Nenner im Leben von Frauen. Nicht alle haben Kinder, aber alle haben Eltern. Die häusliche Pflege von Angehörigen wird in den nächsten Jahren immer mehr Ressourcen binden – vor allem die von Frauen. Wie in vielen anderen Lebensbereichen können persönliche Ressourcen hier unterstützen oder, wenn sie fehlen, die Situation erschweren. Die wenigsten Lebenswege verlaufen geradlinig und planbar. Mal gibt es Hindernisse im Beruf, mal im privaten Umfeld. Ich bin in vielen Milieus unterwegs: umgeben von Menschen mit mehr oder weniger Privilegien, jenen, die es schaffen, ihrem Schicksal eine Wendung aufzuerlegen und auch solchen, denen die Ressourcen fehlen, ihrem Leben eine echte eigene Note zu verleihen. Aus der Beobachtung struktureller Divergenzen, denen besonders Frauen ausgesetzt sind, ist meine Dissertation zum Thema Geld und Lebensgeschichte entstanden.

 

Vor allem im Kontext der Equal Pay Day Bewegung trieb mich die Frage an, wie Frauen, die mehr Sorgearbeiten verrichten und weniger verdienen, ihr längeres Leben im Alter mit geringen Rentenansprüchen finanzieren können. Der Blick auf diese strukturellen Zusammenhänge machte mich wütend, wurde aber auch zu einer großen Energiequelle, mich dieser Thematik zu widmen. Das war im Jahr 2010. Damals veröffentlichte die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, Jutta Allmendinger eine Studie mit dem Titel Verschenkte Potenziale?, in der sie die Lebenswirklichkeiten nicht erwerbstätiger Frauen beschrieb. Heute sind wir mit dem Ausbau der Infrastruktur für Kinderbetreuung, Elterngeld Plus, Pflegezeitgesetz und mit der Brückenteilzeit schon einige Schritte vorangekommen.

 

Es bleibt aber noch viel zu tun, um eine wirkliche Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen und allen Frauen, auch den unterprivilegierten, echte Wahlfreiheit zu ermöglichen. Ich freue mich, Frauen eine Stimme zu verleihen, denen die Chancen auf einen Bildungsaufstieg nicht in die Wiege gelegt wurden.

 

Die Weichen für Vereinbarkeit, Erfolg und Verantwortung von Frauen in der Gesellschaft sind gestellt. Lasst uns das Jubiläum gemeinsam feiern und gestaltet den gesellschaftlichen Wandel aktiv mit - zum Beispiel indem Ihr Fraueninitiativen und Frauennetzwerke unterstützt oder politische Verantwortung übernehmt!

 

Wer sich für die Meilensteine der frühen Frauenbewegung interessiert, findet beim Deutschen Digitalen Frauenarchiv eine schöne Online-Ausstellung.

 

#100JahreFrauenwahlrecht #HeForShe #Selbstbestimmung

 

Veröffentlicht 07. Nov. 2018 im Business & She Magazin

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