Kann Finanzcoaching die Leerstellen der Finanzbildung schließen?

Und: Quo vadis Nationale Finanzbildungsstrategie?

In einer Welt, in der finanzielle Entscheidungen immer komplexer werden, stellt sich die Frage, ob Finanzcoaching eine Lösung für die Defizite in der finanziellen Bildung sein kann.

 

Im Herbst kamen wir in der Fachgruppe Finanzpsychologie im BPD bei Monika Müller FCM Finanz Coaching  

zusammen. Die rund viermal jährlich in Wiesbaden stattfindende Fachgruppe ist ein interdisziplinäres Kleinod.
Oft liegen die finanz- und sozialpsychologischen Dimensionen des Geldes gar nicht so weit auseinander. Dennoch
sind Finanzpsychologie und Geldsoziologie nach wir vor Nischenfächer. Wir haben uns der Frage angenähert, ob Finanzcoaching die Leerstellen der Finanzbildung schließen kann. 

 

Initiative Finanzielle Bildung

 

Finanzbildung hat das Ziel, Menschen die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln, langfristig finanzielle Stabilität zu gewährleisten. Als sogenannte Stakeholderin ist Birgit Happel seit Anfang 2023 in die »Initiative Finanzielle Bildung« eingebunden, ein gemeinsames Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie des Bundesministeriums der Finanzen. Sie präsentierte die Eckpunkte der Initiative, die auf drei Säulen beruhen:

 

  • Die Konzipierung einer nationalen Finanzbildungsstrategie
  • Erstellung einer Finanzbildungsplattform 
  • Forschungsförderung

 

Die Finanzbildungsplattform Mit Geld und Verstand wurde im Winter 2023 im Rahmen der Konferenz »Finanzielle Bildung für das Leben« gelauncht und bietet ein umfangreiches Informations- und Bildungsangebot, das sich an verschiedenen Lebensphasen orientiert. Auch ein Quiz als Finanzwissentest ist eingebaut.

 

Nach dem Zerfall der Ampel-Koalition und dem Austritt der FDP aus der Regierung Anfang November 2024 steht die Zukunft der finanziellen Bildung in Deutschland derzeit auf wackeligen Beinen. Der Zeitpunkt des Koalitionsbruchs hätte kaum ungünstiger sein können, da die nationale Finanzbildungsstrategie, die in Zusammenarbeit mit der OECD entwickelt wurde, kurz vor ihrer Verabschiedung stand.

 

Alexander Renner, Referent im Bundesministerium für Bildung und Forschung zeichnete im Interview mit Monika Müller den Fahrplan der Finanzbildungsinitiative nach. Es lag bereits ein Referentenentwurf zum sogenannten »Finanzbildungsstärkungsgesetz« vor, doch ist ungewiss, wie es mit der Initiative weitergeht und ob sich in anderen politischen Lagern Fürsprecher finden.

 

Leerstellen der Finanziellen Bildung

 

Die Finanzbildungslandschaft in Deutschland ist grundsätzlich solide, jedoch stark fragmentiert in zahlreiche Einzelinitiativen und nicht ausreichend institutionalisiert. Zudem gibt es deutliche Lücken in der finanziellen Bildung:

 

  • Nicht-kognitive Dimensionen des Umgangs mit Geld werden nicht oder nur ungenügend adressiert
  • Der Fokus liegt auf instrumentellem Finanzwissen
  • Bestimmte Bevölkerungsgruppen sind unterrepräsentiert
  • Klassismus-Aspekte finden zu wenig Berücksichtigung

 

Finanzielle Bildung muss sozioökonomisch fundiert sein, um einen lebensweltlichen Bezug herstellen zu können. Denn individuelle Finanzentscheidungen sind nur im Kontext gesellschaftlicher Strukturen, wirtschaftlicher Ungleichheiten und systemischer Barrieren zu verstehen.

 

Finanzcoaching als Schlüssel

 

Um den Gap zwischen Wissen und Verhalten zu überbrücken, ist Finanzcoaching ein vielversprechender Ansatz, weil der Blick von den Defiziten zu den Ressourcen gelenkt wird. Finanzcoaching konzentriert sich darauf, die finanziellen Fähigkeiten und das Selbstvertrauen der Klient:innen zu stärken, um Menschen zu befähigen, fundierte Entscheidungen zu treffen.

 

Finanzcoaching ist auf die spezifischen Bedürfnisse und Umstände des Einzelnen zugeschnitten und stellt eine sinnvolle Ergänzung zu Bildungsangeboten dar. Signifikante Effekte des Finanzcoachings im Sinne einer Verstärkung von Bildungsmassnahmen wurden u.a. in einer Studie der amerikanischen Verbraucherschutzbehörde herausgestellt.

Teilnehmer:innen vlnr: Birgit Happel, Lisa Fütterer, Dagmar Stock, Yvonne Braun, Lothar Schmidt

Herausforderungen des Finanzcoachings

 

Doch auch das Finanzcoaching steht vor Herausforderungen. Kritisiert werden insbesondere die erheblichen Qualitätsunterschiede sowie das Fehlen einheitlicher Standards. Zudem wird der Begriff »Coaching« von Strukturvertrieben und anderen Anbietern mit Vertriebsabsichten und kommerziellen Interessen genutzt. Das ist umso perfider, wenn selbsternannte Coaches Zugang zu Schulen erhalten und dort indirekt Empfehlungen an Eltern weitergeben. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie Coaching-Angebote auch für weniger zahlungskräftige Zielgruppen zugänglich gemacht werden können.

 

Die Finanzpsychologin und Pionierin des Finanzcoachings in Deutschland, Monika Müller, bietet eine fundierte Ausbildung zum zertifizierten FCM Finanz Coach® an. Sie vermittelt Methoden und Ansätze, um ein vertieftes Verständnis für Geld und Risiko zu entwickeln. In der Fachgruppe hob sie hervor, dass ein guter Coachingprozess nie abhängig macht und ein qualifizierter Coach niemals mit manipulativen Methoden arbeitet:

»Es geht immer um Hilfe zur Selbsthilfe.« Monika Müller, FCM Finanzcoaching

Klient:innen werden ermutigt, aktiv Verantwortung für ihre Finanzen zu übernehmen und eigenständige Entscheidungen zu treffen. Letztendlich liegt der Wert des Finanzcoachings in seiner Fähigkeit, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch Verhaltensweisen und Einstellungen zu Geld nachhaltig zu verändern – ein entscheidender Schritt zur Verbesserung der finanziellen Gesundheit und Unabhängigkeit.

 

Finanzbildung und Finanzcoaching sind komplementär

 

Die Vermittlung grundlegender Finanzkenntnisse durch formale Bildungsangebote ist unerlässlich. Um soziale Ungleichheiten zu reduzieren, muss die Finanzbildung in Deutschland gezielt inklusiv gestaltet werden. Andernfalls droht eine Verschärfung sozialer Disparitäten, da privilegierte gesellschaftliche Gruppen ihren Vorsprung weiter ausbauen können. In den letzten Jahren wurde es zunehmend schwieriger, die Lebenshaltungskosten zu bewältigen oder allein durch Einkommen Vermögen aufzubauen. Die hohe Besteuerung von Arbeit im Vergleich zu Kapital trägt zusätzlich dazu bei, die Vermögensschere weiter zu öffnen.

 

Finanzcoaching ergänzt bestehende Bildungsangebote, insbesondere wenn es darum geht, Glaubenssätze zum Geld zu reflektieren und zu verändern. Die Frage der Finanzierung von Bildungsangeboten ist auch im Bereich des Finanzcoachings eine zentrale Herausforderung. Daher ist es sinnvoll, finanzielle Grundbildung und Coachingansätze in die Soziale Arbeit und Präventionsprogramme zu integrieren. Ziel ist es, Fachkräften das notwendige Wissen über Geld und Finanzen für Beratungssituationen zu vermitteln und ihnen Raum zu geben, ihre eigene Geldbiografie sowie persönliche Einstellungen zum Thema Geld zu reflektieren. Gleichzeitig setzt die finanzielle Soziale Arbeit auf strukturelle Prävention, um langfristig die Rahmenbedingungen für finanzielle Teilhabe zu verbessern.

 

Mit der steigenden Komplexität finanzieller Entscheidungen wird die Förderung entsprechender Bildungsmaßnahmen immer wichtiger. Dabei ist es sowohl bei Bildungs- als auch bei Coachingangeboten essenziell, evidenzbasierte und qualitativ hochwertige Ansätze zu identifizieren. Ergänzend sollten Strukturen für Budgetberatung etabliert werden, um die finanziellen Handlungsspielräume der Menschen gezielt zu stärken.


 

 

 

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