EPD 2020

 

Auf Augenhöhe verhandeln – WIR SIND BEREIT!

 

Das Equal Pay Day Motto 2020 zeigt Wege aus verkrusteten Strukturen auf.

 

Viele Frauen haben alte Rollenbilder längst über Bord geworfen und sind bereit für ein partnerschaftliches Miteinander und berufliche Führungsaufgaben.

Frauen mussten lange darauf warten, nicht nur gefördert, sondern auch befördert zu werden, wie die Geschäftsführerin und der Geschäftsführer der AllBright Stiftung, Dr. Wiebke Ankersen und Christian Berg jüngst treffend feststellten. Welch Ironie, diesen Blogartikel am Vorabend des Equal Pay Day hochzuladen, wenn sich ab morgen auch bei uns Zuhause die Rollen vertauschen: ich darf weiterhin in mein Büro an der Technischen Hochschule, da die Studierenden frühestens im April zurückkommen, während mein Mann nun für unbestimmte Zeit im Homeoffice bleiben wird. Ich bin überzeugt, dass die #Coronakrise ein Umdenken bewirken wird, denn:

 

Diese Berufe sind schlecht bezahlt, das ist halt so. Wann, wenn nicht jetzt, ist die Zeit für neue Wege? Und warum fällt es Frauen schwer, ihr Gehalt zu verhandeln? Stop fixing the women, fix the system! Es liegt nicht am fehlenden Mut und mangelnden Selbstvertrauen. Schon gar nicht an der Qualifikation. Nein, Frauen waren viel zu lange in der Defensive und wurden, wenn überhaupt nur aufgrund ihrer beachtlichen Leistungen befördert. Auch heute dürfen sie sich keine Patzer erlauben, wenn es um ihre Karrieren geht.

Tatsache ist nämlich: Viele Unternehmen und Organisationen haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Das zeigen die sehr ernüchternden Zahlen des Global Gender Gap Report 2020 des World Economic Forum. Die Rahmenbedingungen für erfolgreiche Karrieren sind für Frauen mit Erziehungs- und Pflegeverantwortung noch immer hinderlich: überholte Rollenmuster, konservative Wertvorstellungen, diskriminierende Strukturen.

Tolle Infos und viel Material findet ihr wie immer im Equal Pay Day Journal, das zum Download auf der Equal Pay Day Seite bereitsteht.

 

Foto: Equal Pay Day
Foto: @leawieauchimmer

Sehr innovativ ist auch die Aktion von @leawieauchimmer auf Instagram – sie hat ein Conni Heft zur Lohnlücke gezeichnet! Der vielbeschworene Rolemodel-Effekt sickert bislang zu wenig nach unten durch und bringt die breite Masse kaum voran. Natürlich profitieren ausgewählte Frauen in Vorzeigeunternehmen, Vorzeigeprojekten, Mentoringprogrammen, und es gibt funktionierende Netzwerke. Doch vor allem das Multi-Aufsichtsrat-Phänomen verdeutlicht, dass es insbesondere Frauen mit sozialem, kulturellem und symbolischem Kapital sind, die weitergereicht und befördert werden – der richtige Habitus und die richtigen Beziehungen wiegen mitunter mehr als ein (selbst-)optimierter Lebenslauf. Von echter Diversität in Bezug auf Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Behinderung, Herkunft sind wir daher in Deutschland noch sehr weit entfernt. Warum so pessimistisch?


Anschlussfähig bleiben

Seit genau 10 Jahren arbeite ich mit Gleichstellungsbeauftragten, Multiplikatorinnen und auch direkt mit Wiedereinsteigerinnen zusammen. Viele von ihnen standen und stehen nach der Elternzeit vor ähnlichen Herausforderungen. Nicht wenige Frauen sind verunsichert, wenn der Wiedereinstieg holprig ist und merken nicht, dass es nicht an ihnen selbst liegt, wenn ihr Leben anstrengend ist, ihre Karriere ins Stocken gerät, ihre Beziehungen leiden. Es hat strukturelle Gründe.

Mangelnde Flexibiliät in der Arbeitswelt, immer noch ungenügende Kinderbetreuungsmöglichkeiten, fehlendes Verständnis für die Anliegen berufstätiger Mütter, eine Sozialversicherungsgesetzgebung von anno dazumal. Nicht nur mit dem Arbeitgeber muss verhandelt werden, auch in Familien gibt es Aushandlungsprozesse. Der Partner, die Partnerin, die Kinder, die Eltern, die Schwiegereltern – alle wollen ihren Anteil am Kuchen und scheuen sich nicht, mitzureden, wenn es um die Gestaltung von Familienarrangements geht.

Für alle, die sich immer schon gefragt haben, wo die Zeit am Ende des Tages geblieben ist und warum so wenig Zeit für die eigene berufliche Weiterentwicklung bleibt, gibt es jetzt den Mental Load Test zum Download auf der Seite der Equal Care Day Initiative. Wir empfehlen ihn präventiv in jungen Jahren, spätestens aber vor Mutterschaft und Eheschließung. Tragt ihn in die Welt hinaus, sensibilisiert Mädchen und junge Frauen, stärkt Familienfrauen und unterstützt Paare bei ihren Bemühungen um eine faire Arbeitsteilung!

 

Foto: Equal Care Day
Foto: Equal Care Day

Gender Pay Gap, Gender Care Gap, Motherhood Penalty, Gender Part-Time Wage-Gap, Gender Lifetime Earnings Gap, Gender Pension Gap – wir können sie im Schlaf aufsagen, sie hängen alle miteinander zusammen. Die beruflichen Wege und das Geld der Frauen sind untrennbar mit der Frage verknüpft, wie wir als Gesellschaft leben wollen. Das bisschen Haushalt macht sich nicht allein und Frauen verbringen doppelt so viel Zeit mit unbezahlter Arbeit als Männer. Bleibt Zeit fürs Ehrenamt? Backen wir einen Kuchen fürs Kindergartenfest? Wie gehen wir mit Kindern um, die nicht mitlaufen? Wohin mit den Eltern, wenn sie gebrechlich werden und auf unsere Hilfe angewiesen sind?

Auch wenn sich viele Probleme ähneln, sind Familiengeschichten doch sehr heterogen und individuell. Als meine Mutter im Jahr 2003 an Demenz erkrankte, gab es diese Krankheit noch nicht als offizielle Kategorie innerhalb der Pflegeversicherung. Betroffene Familien mussten sehen, wie sie selbst klarkommen und die Pflegeverantwortung in ihren Alltag integrieren. Im gleichen Jahr kam meine Tochter zur Welt. Der seit 2009 geltende Rechtsanspruch auf Großelternzeit hätte uns damals nicht weitergeholfen, er verkehrte sich in sein Gegenteil. Die besondere Lage und Beanspruchung von Sandwich-Familien wurde und wird nicht gesehen. Dennoch hat sich Einiges zum Positiven gewendet: im Bereich der frühkindlichen Kinderbetreuung wurden viele Weichen neu gestellt, pflegende Angehörige wurden auf mehreren Ebenen gestärkt.

Das Thema Care-Arbeit dringt inzwischen mehr ins öffentliche Bewusstsein, vor allem Dank der großartigen Arbeit der Equal Care Day Bewegung, und die Dienstleistungsberufe wurden aufgewertet. Wir stehen am Beginn eines neuen Jahrzehnts. Wir fordern neue Rollenbilder, gleichberechtigte Partnerschaften, moderne Unternehmen und mutige Führungspersönlichkeiten. Die gute Nachricht ist: Es zeigt sich nun an den Zahlen und Ergebnissen, ob Unternehmen mit der Zeit gehen oder in alten Mustern verhaftet bleiben. In vielen Ländern sind gleichgeschlechtliche, homogene Teams bereits ein No-Go. Diverse Führungsteams hingegen erfolgreich und zukunftsfähig. Und auch in den Partnerschaften sind viele Steine ins Rollen gekommen, frau muss es nur zulassen.

Dennoch ist unsere Mission noch nicht beendet. Notwendige Veränderungen, die Einzelne nicht alleine voranbringen können, wie ein modernes Familiensplitting, das Mütter nicht in Abhängigkeiten hält und zur strukturellen Falle mutiert, müssen politisch angegangen werden. Auch die Situation von Ein-Eltern-Familien ist trotz einiger Nachbesserungen nach wie vor fragil. Bleibt zu hoffen, dass die Corona-Krise frischen Wind in die Köpfe bringt und die großen Fragen des guten Lebens wieder neu diskutiert werden. Das hoffte ich zwar schon während der Finanz- und Wirtschaftskrise, aber inzwischen haben wir eine breite Masse an kritisch Denkenden erreicht. Gleichberechtigte Teilhabe ist weder ein Frauen- noch ein Familienthema. Gerade jetzt, in entschleunigten Zeiten können wir uns noch einmal die Frage stellen, was das gute Leben ausmacht und in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Es ist Zeit für eine gerechte Gesellschaft. Frauen sind längst bereit!

#epd2020 #aufaugenhöhe #wirsindbereit #fairegesellschaft #equalpayday #equalpay #fairpay #equalcare

EPD 2019: Wertsache Arbeit

Welche Arbeit ist es wert, gesehen zu werden? Equal Pay Day 2019

 

Mein Equal Pay Day Blogartikel wurde dieses Jahr nicht pünktlich fertig. Es fing schon damit an, erst spät zu realisieren, dass die EPD-Journale nicht angekommen waren. Ein kurzer Anruf beim Kampagnenteam hatte zum Glück genügt, um sie noch rechtzeitig vor der Aktionswoche und meinen Veranstaltungen zu erhalten.

 

Doch zuvor verschwammen Zeit und Raum angesichts eines Trauerfalls. Zum Innehalten bleibt kaum Zeit. Alle müssen immer weiter funktionieren, auf der Arbeit, in der Selbstständigkeit, im Schulsystem. Als wir uns dazu entschlossen, eine Familie zu gründen, hatte jeder von uns seine eigenen Bilder im Kopf. Nie hätte ich geglaubt, mein Leben fortan zwischen Tür und Angel zu verbringen. In meiner Arbeit mit Frauen höre ich sehr oft den Satz: Es ist gerade alles etwas viel.

 

Das Motto des zwölften Equal Pay Days in Deutschland lautet Wertsache Arbeit. Wie definieren und bewerten wir Arbeit heute? Welche Art von Arbeit ist uns wie viel wert? Und vor allem, welche Arbeit ist es wert, gesehen zu werden? In einer nahezu vollständig ökonomisierten Gesellschaft wird alles in monetären Einheiten bemessen. Außer die unbezahlte Haus- und Sorgearbeit – von der Frauen rund zwei Drittel übernehmen, wie das Frauenreferat der Stadt Frankfurt herausstellt und in seinen Kampagnen immer wieder verdeutlicht.

 

Fotos: Frauenreferat Stadt Frankfurt

 

Habt ihr euch schon einmal die Mühe gemacht, eure hier geleisteten Stunden in Euro und Cent auszurechnen? Ihr werdet erstaunt sein, auf welche Beträge ihr kommt! Vor allem, welches ökonomische Machtgefälle zwischen Partner*innen dabei zu Tage tritt und (meist) zulasten der Frauen perpetuiert wird. Das Geld der Frauen ist mit ihren beruflichen Entwicklungswegen verknüpft. Diese geraten immer dann ins Stocken, wenn andere Themen im Leben wichtig werden.

 

Ehen gehen in die Brüche, Menschen erleiden Krankheiten, Kinder kommen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf die Welt. Kritische Lebensereignisse sind nicht nur eine statistische und soziologische Größe, sondern es braucht Zeit und Raum, um sie ins Leben zu integrieren. Die Eltern der Babyboomer, vorwiegend Kriegskinder, sind zunehmend auf Hilfe angewiesen. Nicht alle haben Kinder, aber alle haben Eltern – das Thema Pflege wird nicht an Aktualität verlieren. Sorgearbeit nimmt Zeit in Anspruch. Zeit, die nicht uneingeschränkt für berufliches Engagement zur Verfügung steht.

 

Es gibt übrigens auch den Begriff der Trauerarbeit. Das Abschiednehmen funktioniert nicht nach Schema F, sondern ist ein Prozess, der Zeit erfordert. Die einen brauchen einen längeren Schonraum, andere gehen schneller zur Tagesordnung über. Die Frage ist nur, wieviel Zeit lässt das moderne Leben für solche Auszeiten? Und generell für die biografische Arbeit? Wie viel ist die Arbeit von Frauen und Männern wert, wenn sie oder ihre Familien mal nicht funktionieren? Die Komplexität heutiger Familienstrukturen macht eben auch Zeit zu einem äußerst wertvollen Gut.

Keine Zeit für Reflexion?

 

Seit unsere Kinder auf der Welt waren, hatten wir stets Pflege und Erziehung gleichzeitig. Als sich die Rollen verkehrten und die Eltern zunehmend auf unsere Hilfe angewiesen waren, schlich sich die Verantwortung erst unbemerkt ein: hier ein Fahrdienst, dort eine Begleitung zum Arzt. Später übernahm ich die gesetzliche Betreuung und umfassende Fürsorge.

 

Sicher ist unsere Familie eine statistische Ausnahme, doch wer aufmerksam durchs Leben geht, sieht zuhauf vielfältige Abweichungen vom sogenannten Standard-Lebenslauf und kann Einblick in die Zumutungen des Lebens nehmen. Wie stark diese den Einzelnen treffen, hängt auch von den persönlichen Ressourcen ab. Mit zwei Präsenzjobs hätten wir diese Zeit niemals meistern können. Unser Schlüssel lag in meiner Freiberuflichkeit, die mir viele Freiheiten ermöglichte. Und doch ihren Preis forderte, denn Sorge-Arbeit wird im sozialen Sicherungssystem, das auf einer durchgängigen Vollzeitbeschäftigung fußt, unterbewertet.

 

Wusstet ihr etwa, dass die Erziehungs-Arbeit pro Kind zur Zeit rund 99 Euro Rente pro Monat wert ist? Selbst eine Frau mit vier Kindern wird durch ihre Erziehungszeiten nach heutigem Stand im Rentenalter gerade einmal die Hälfte der Grundsicherung erreichen. Sie kann dann von Glück sprechen, wenn sie nicht in der Teilzeit- oder gar Minijobfalle gestrandet ist. Eine aktuelle Arbeitsmarktstatistik weist verheerende Zahlen aus: "Tatsächlich sind unter den 7,7 Millionen atypisch Beschäftigten (maximal 20 Wochenstunden, Minijobber, Zeitarbeiter, befristet Beschäftigte) in Deutschland derzeit 68,8 Prozent Frauen" (Handelsblatt 27.03.2019).

Eigentlich ist längst alles erforscht und gesagt?

Seit Jahren die gleichen ernüchternden Zahlen: Gender Pay Gap, Care Gap, Wealth Gap, Pension Gap. Die Zusammenhänge sind längst erforscht. Und Nein, der Gender-Pay-Gap ist kein Mythos, wie Marcel Fratzscher, der Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung für die Zeit-Online treffend titelte. Dies vor allem in Replik auf eine Schlagzeile der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, nach der die Gründe für die Gehaltsunterschiede im Privatleben und nicht in der Diskriminierung am Arbeitsplatz lägen.

 

Genau aufgrund solcher Denkmuster müssen wir am Ball bleiben! Insbesondere, um die Mechanismen struktureller Diskriminierung aufzudecken und Einfluss auf strukturelle Rahmenbedingungen zu nehmen. Um uns weiter zu vernetzen und politisch zu engagieren. Und nicht zuletzt, um die Debatte über den Wert der Arbeit weiterzuführen. Die unbezahlte Sorgearbeit ist eine tragende Säule unserer Gesellschaft. Darauf weisen weitsichtige Bewegungen wie die Equal Care Day Bewegung, das Netzwerk Care Revolution, der Verein Wirtschaft ist Care, die Bloggerinnen Dr. Christine Finke alias Mama arbeitet und Claire Funke alias Mama streikt und viele andere unermüdlich hin.

 

Wie fair und menschlich sind Gesellschaft und Marktwirtschaft, wenn Frauen nach der Übernahme von Care-Arbeit nur schwer wieder einen Fuß in die Tür des Arbeitsmarktes bekommen? Wenn Sorgearbeit nicht viel zählt? Wenn Alleinerziehende ihre Arbeit bei einem Krankenhausaufenthalt fortsetzen, um einen wichtigen Auftraggeber nicht zu verlieren, wie Claire Funke dieser Tage vom Krankenbett twitterte? Wenn wenig Raum für Trauerarbeit bleibt? Aller Hochglanzbroschüren zum Trotz steht in Unternehmen und Behörden ein echter Kulturwandel aus. Hier trifft das alte Motto der Soziologin Elisabeth Beck-Gernsheim und ihres verstorbenen Mannes Ulrich Beck besonders gut zu: Verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre. Im Gegenteil, nicht wenigen Frauen werden Steine in den Weg gelegt: mal hier eine gehaltliche Niedrigstufung, mal dort eine Versetzung in eine entfernte Geschäftsstelle. Die Geschichten weisen ein ähnliches Muster auf, die Ausschließungsmechanismen sind mehr oder weniger subtil, die Kränkungen nicht minder schmerzhaft.

 

Die Arbeitswelt und die Gesellschaft können nur gerechter werden, wenn wir die großen Zusammenhänge von Care und Wirtschaft mehr in den Blick nehmen, das Bewusstsein für Ungleichheiten schärfen, alte Denkstrukturen überwinden und neue Leitbilder entwerfen. Vor allem müssen Unternehmen und Politik die Stellschrauben so drehen, dass Frauen und Männer ihre Lebens- und Berufswege synchronisieren können. Die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats Mona Küppers fordert in einer Pressemitteilung zum Equal Pay Day »politische Maßnahmen, die eine partnerschaftliche Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit unterstützen, Männer in die Verantwortung nehmen und Frauen in ihrer Erwerbstätigkeit fördern. Dazu gehören öffentliche Zuschüsse für haushaltsnahe Dienstleistungen und ein Anspruch auf lebensphasenorientierte Arbeitszeiten.«

 

In meiner Arbeit setze ich mich für die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen ein. Dabei rückte mein Fokus in den letzten Jahren immer mehr in Richtung Strukturbedingungen und Politik – denn:

Das Geld der Frauen ist keine Privatsache, sondern politisch.

Natürlich ist es existenziell, die eigenen Finanzen im Griff zu behalten. Es ist auch sehr hilfreich, Marktmechanismen zu verstehen und das Investieren zu lernen – gerade wenn es im Leben mal nicht so gut läuft, wirkt finanzielle Gesundheit wie ein Krisenentschärfer. Das Wissen über die Wechselwirkungen von Lebens-, Karriere- und Berufswegen ist aber für Frauen mindestens ebenso wichtig wie ihr Finanzwissen.

 

Auch im Jahr 2019 ist es notwendig, junge Frauen in ihren Vorstellungen des guten Lebens zu bestärken und sie für die Fallen zu sensibilisieren, die sich bei Eheschließung und Mutterschaft auftun. Die Soziologin Jutta Allmendinger hat es in einem Interview im Manager Magazin gerade wieder schön auf den Punkt gebracht: „Vor dreißig Jahren wie auch heute denken junge Frauen, sie schaffen das alles selbst. Eine Quote lehnen sie ab. Aber erst wann man älter ist und gesehen hat, wie das System funktioniert, ändert sich diese Einstellung.“

 

Also ran an die Strukturen, ans Mindset und ans Geld!

 

#wertsachearbeit #frauenmachtpolitik #wirtschaftistcare #frauen.geld.politik #geldundleben

 

EPD 2018: Transparenz gewinnt

Die Lebenswirlichkeit von Frauen – Equal Pay Day 2018

 

Das neu in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz ist ein wichtiger Schritt zur geschlechtergerechten Entlohnung. Die stukturellen Hintergründe des Gender Pay Gap und Gender Pension Gap sind jedoch weitaus umfassender und verdienen gleichsam einen aufmerksamen Blick. Dies ist eine gute Tradition innerhalb der Equal Pay Day Bewegung.

Foto: BPW Germany/ Sandra Weller

Mit einer Lohnlücke von 21 Prozent zählt Deutschland seit Jahren zu den traurigen Spitzenreitern der westlichen Welt. Bei den weiblichen Führungskräften ist Deutschland im europäischen Vergleich eines der Schlusslichter (Führungskräfte-Monitor des DIW).

 

Es ist auch der Equal Pay Day Bewegung zu verdanken, dass die strukturellen Gründe dieser Ungleichheit und Unbeweglichkeit mehr und mehr öffentlich debattiert werden. Wie kann Transparenz – das Motto des EPD 2018 – den Frauen dabei helfen, zu mehr Gerechtigkeit und Gleichstellung in Gesellschaft, Familie und Beruf zu gelangen?

 

Um die Lücken des Gender Pay Gaps zu schließen, sollten wir nicht nur offen und transparent über Löhne und Gehälter sprechen, sondern auch darüber, welche vermögensrechtlichen Folgen eine Ehe oder Eingetragene Lebenspartnerschaft für Frauen mit sich bringt. Dies empfiehlt auch die Sachverständigenkommission im Gutachten zum Zweiten Gleichstellungsbericht.

 

Ist es jungen Frauen heute bewusst, dass allein die Eheschließung in eine strukturelle Sackgasse münden kann? Die unschönen Tickets heißen Ehegattensplitting und beitragsfreie Familienversicherung. Die Entscheidung für ein Kind stellt dem achten Familienbericht der Bundesregierung zufolge gar ein »biografisches Risiko« für Frauen dar (BMFSFJ 2012:22).

Wo bleiben Empörung und Wut?

Die Lebenswirklichkeiten und Finanzen der Frauen in den Blick zu nehmen, sollte ein eminent politisches Anliegen sein. Frauen sind überdurchschnittlich oft Teilzeit beschäftigt. Ein Drittel der erwerbstätigen Frauen kann aus ihrem eigenen Einkommen nicht einmal ihren unmittelbaren Bedarf decken. Alleinerziehenden droht der gesellschaftliche Abstieg. Gender Pay Gap und Gender Pension Gap gehen Hand in Hand.

 

Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung zieht im WSI-Report Wer leistet unbezahlte Arbeit den richtigen Schluss: »Die Sphären Arbeitsmarkt und Haushalt müssen zusammengedacht und bezahlte und unbezahlte Arbeit im Zusammenhang thematisiert werden (WSI Nr. 35/2017). Nach letzten Berechnungen des statistischen Bundesamts beträgt der Wert der unbezahlten Arbeit in Deutschland umgerechnet knapp 826 Milliarden Euro.

 

All diese Zusammenhänge werden von drei exemplarisch ausgewählten Projekten bzw. Kampagnen angesprochen, die es wert sind, sie näher zu betrachten. Ich möchte euch zunächst Valentina vorstellen.

Die Valentina Kampagne wurde vom bayerischen Landesverband des Katholischen Deutschen Frauenbundes initiiert und wird vom bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration unterstützt.

 

Valentina lässt kaum ein Thema aus: Angefangen von Ehevertrag, eingetragenen Lebenspartnerschaften, Steuerklassenmodellen, finanziellen Auswirkungen unterbrochener Erwerbsbiografien, über Scheidungen, zweite Eheschließungen und finanzielle Ausgleiche für Kindererziehung finden sich auf dem Informationsportal der Kampagne umfangreiche Informationen. Die Begleitbroschüre des bayerischen Zukunftsministeriums Ehe und Partnerschaft rechtlich begleiten gibt einen Überblick über die finanziellen und rechtlichen Folgen der Eheschließung. Der Frauenbund sollte die Flyer der Valentina-Kampagne als Aufklärungsmaterial in allen Standesämtern auslegen.

 

Richtungsweisend ist das Projekt Was verdient die Frau? des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Fotos: DGB Was verdient die Frau?

Das Projekt nahm seine Arbeit im Herbst 2014 auf und wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Es stellt die Stärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen in den Mittelpunkt und informiert über die Rahmenbedingungen weiblicher Lebens- und Erwerbsbiografien.

 

Insbesondere werden Entscheidungen an Lebensschwellen – wie der Einstieg in den Beruf nach der Ausbildungszeit und die Zeiten rund um die Familienphase thematisiert, um Übergänge nachhaltig zu gestalten. Das Projekt bietet Frauen ein umfangreiches Informationsportal sowie die Plattform Dein Sprungbrett – Webinare und Beratung für junge Frauen. Dort finden Frauen etwa Input zur fairen Arbeitsteilung oder zur Gehaltsverhandlung und weiteren Karrierethemen. Außerdem unterstützt das Onlinequiz Die Generalprobe junge Frauen bei der Rollenfindung und zeigt finanzielle Fallstricke bestimmter Lebensentscheidungen auf. Das DGB Projekt Was verdient die Frau? Wirtschaftliche Unabhängigkeit! ist in den sozialen Medien auf Facebook, Twitter und Instagram vertreten und plant eine Präsenz auf Youtube.
 

Auch das vom Frauenreferat der Stadt Frankfurt entwickelte Armut verhindern Spiel pointiert die Wechselwirkungen zwischen Beruf, Karriere und Familie und dem Geld der Frauen.

Foto: Frauenreferat der Stadt Frankfurt am Main

Das Spiel nimmt strukturelle wie soziokulturelle Bedingungen ins Visier. Es wurde anlässlich der Jahres-Kampagne Armut ist eine Frau zur Sensibilisierung gegenüber strukturell bedingter Frauenarmut entwickelt. Das Frauenreferat sieht seine Aufgaben unter anderem darin, Mädchen und Frauen bei weichenstellenden Entscheidungen und der Bewältigung schwieriger Lebenssituationen zu unterstützen und zu bestärken. Das Spiel steht als Download zur Verfügung und sollte Einzug in die politische Bildung der Schulen halten. Ein kleines Video zum Spiel, das ich mit der Künstlerin Anna Poetter auf ihrer Pilgerreise des Geldes gespielt habe, findet ihr hier.

Um über unsere Gesellschaft, Rollenerwartungen, gesetzliche Rahmenbedingungen und Unternehmenskulturen zu sprechen, engagieren sich Frauen alljährlich zum Equal Pay Day als Botschafterinnen und Impulsgeberinnen.

Damit die tatsächlichen Lebenswirklichkeiten der Frauen mit ihren Potenzialen und persönlichen Wünschen Schritt halten. Dafür ist es überaus hilfreich, sich in gemeinsamen Netzwerken zusammenzuschließen. Nicht allein, um sich gegenseitig zu unterstützen und voranzubringen, sondern auch, um gemeinsam die politische Bedeutung des Privaten nach Außen zu tragen.

 

Mischt Euch ein!

Foto: BPW Germany Ansgar Bolle

EPD 2017: Endlich partnerschaftlich durchstarten

 

10 Jahre Equal Pay Day in Deutschland! Ein Anlass zum Feiern? Equal Pay Day 2017

 

Auch wenn sich die Lohnlücke in der Bundesrepublik nicht wesentlich geschlossen hat, kann die Equal Pay Day Bewegung, die von den Business and Professional Women Germany ins Leben gerufen wurde, eine positive Bilanz ihrer Arbeit ziehen.

So sind die komplex verwobenen strukturellen Ursachen des ungleichen Verdienstes zwischen Frauen und Männern längst in der politischen Tagesordnung angekommen und wurden – auch von der Equal Pay Day Bewegung – ins öffentliche Bewusstsein gehoben.

 

Der soeben veröffentlichte zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung (BMFSFJ 2017) zielt darauf ab, die Barrieren und Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die Frauen und Männer an der Verwirklichung ihrer Lebensziele, ihrer Wünsche und ihrer Lebensentwürfe hindern.

 

10 Jahre Equal Pay Day zeigen, dass es nach wie vor die Frauen sind, die zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf Abstriche in ihren Karrieren hinnehmen müssen, die trotz Beruf mehr Zeit im Haushalt verbringen, an denen die Hauptlast für Erziehung und Pflege hängt und die dann hinterher schauen müssen, dass der Gender Pension Gap sie nicht gnadenlos in die Altersarmut führt. Im zweiten Gleichstellungsbericht wird daher Erwerbs- und Sorgearbeit konsequent zusammen gedacht.

 

»Frauen und Männer benötigen Verwirklichungschancen dafür, ihren Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit zu verdienen, sich um Kinder, Pflegebedürftige, Nachbarschaft und Ehrenamt zu kümmern, Karriere in einem Unternehmen zu machen, sich selbstständig zu machen, sich gesellschaftlich zu engagieren und im Alter eigenständig finanziell abgesichert zu sein.« (BMFSFJ 2017: 18)

Findet ihr es unromantisch, über Geld zu sprechen?

Das diesjährige Motto des Equal Pay Day geht in die gleiche Richtung damit es nicht allein bei guten Absichten bleibt, wenn sich Nachwuchs ankündigt, sondern um eine gerechte Rollenverteilung gemeinsam in die Tat umzusetzen.

 

Manchen fällt es leichter, manchen schwerer, mit dem Partner, der Partnerin über Geld zu sprechen.

Nicht nur bei Gehaltsverhandlungen ist eine positive Einstellung zu Geld eine wichtige Voraussetzung für gute Abschlüsse!

Auch innerhalb der eigenen vier Wände ist Geld ein sehr wichtiges Thema, das frühzeitig angegangen werden sollte.

 

Um die sorgebedingten Auszeiten von Frauen so gut es geht zu kompensieren, kommt jede einzelne nicht darum herum, auch die finanzielle Lebensplanung innerhalb der Partnerschaft zu thematisieren.

 

Und gegebenfalls auch einen monetären Ausgleich für Care-Zeiten zu vereinbaren.

 

Am besten mit einem Ehevertrag, zumindest aber mit Blick auf die strukturellen Fallen, die sich in Deutschland immer noch auftun, wenn Frauen Kinder bekommen oder Verantwortung für Ältere übernehmen. Vor allem in ländlichen Regionen und strukturschwachen Gebieten.

EPD 2016: Was ist meine Arbeit wert?

 

Ein Blick auf die Strukturen: Equal Pay Day 2016

 

Die Kaskade der strukturellen Benachteiligung von Frauen erschöpft sich nicht im monatlichen Rentenanspruch für Mütter von derzeit rund 91 Euro je Kind.

Auch bremsen nicht allein Klischees und Mythen Frauen auf ihren

beruflichen Wegen aus.

© BPW Germany | Foto: Businessfotografie Inga Haar

Vielmehr werden weitere Anstrengungen und Initiativen von Unternehmens- und Arbeitgeberseite vermisst, um zu einem echten Kulturwandel hin zu flexiblen Strukturen am Arbeitsmarkt zu gelangen. Dieser muss berufliche Auszeiten und Umwege zulassen, Diversität als Asset anerkennen und auch Vätern und Männern echte familienfreundliche Arbeitszeitarrangements ermögliche. Die skandinavischen Länder machen es vor.

 

Denn aller Rhetorik und Hochglanzbroschüren zum Trotz sind berufliche Karrieren in Deutschland noch immer an der Kontinuität des männlichen Standardlebenslaufs ausgerichtet.

 

Die Ungleichbehandlung von Frauen ist kein Problem, das jede Einzelne selbst in der Gesellschaft zu lösen hat, geschweige denn in den eigenen vier Wänden lösen könnte, sondern es geht dabei um grundsätzliche Fragen des guten Lebens, vor allem im Zusammenhang mit dem Thema Care, d.h. dem Bereich des Sorgens und Sichkümmerns.

 

Und damit um die Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir leben?

 

Während der Ausbau der Kinderbetreuung in den letzten Jahren stetig vorangetrieben und verbessert wurde, sind die Entlastungsangebote für pflegende Angehörige mehr als ausbaufähig, um zukunftsorientierte Karriereplanungen zu gewährleisten.

 

Berufliche Perspektiven im Blick behalten

 

Wer sich einmal an einem Werktag am Vormittag gegen 9 Uhr in einem medizinischen Versorgungszentrum umsieht, wird vor allem auf Frauen treffen, die als Töchter, Schwiegertöchter, Enkel- und Patenkinder oder Nichten pflegebedürftige Ältere zu ihren Arztterminen begleiten.

 

So ist es richtig und wichtig, dass in der Reform des Pflegegesetzes auch die Position der Pflegenden verbessert werden wird. Pflegende Angehörige haben oft eine Dreifachbelastung zu schultern und belasten ihre eigenen gesundheitlichen Ressourcen, um die Pflegesituation zu meistern. Es ist mehr als angemessen, diesen gesellschaftlichen Beitrag auch finanziell anzuerkennen.

Das Equal Pay Day Motto 2016 nimmt berufliche Perspektiven von Frauen ins Visier. Sie müssen Hand in Hand mit finanziellen Entwicklungsmöglichkeiten gehen.

Dies auch, damit künftig mehr Frauen die ihnen entgegengebrachte Wertschätzung in Geld bemessen und weniger Frauen in die Sackgasse von Minijobs einbiegen oder mit Teilzeitarbeit in Steuerklasse 5 einen schmalen eigenen Verdienst nach Hause tragen.

 

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